UNESCO-Streit: Altar aus Naumburg im Vatikan zwischengeparkt

UNESCO-Streit: Altar aus Naumburg im Vatikan zwischengeparkt

Ein Restauratorenteam demontiert den Cranach-Triegel-Altar im Naumburger Dom

Stand: 31.10.2025 20:58 Uhr

Im Naumburger Dom steht normalerweise ein einzigartiger Altar: vor 500 Jahren geschaffen, kürzlich ergänzt von einem Leipziger Maler. Nun zieht der Altar vorübergehend nach Rom – wegen eines Streits um den Welterbestatus.

Tilmann Kleinjung

Die Geschichte ist kurios: Ein Altar aus einer evangelischen Kirche bekommt im Vatikan “Kirchenasyl”. Der Grund: Der Naumburger Dom könnte wegen dieses Altars seinen UNESCO-Welterbestatus verlieren.

Die Seitenflügel des Altars stammen von Lucas Cranach, die Mitteltafel hat der Leipziger Maler Michael Triegel neu gestaltet. Das deutsche Nationalkomitee der UNESCO hatte daraufhin bemängelt, dass seit der Ergänzung durch Triegel der Blick auf die Architektur des Doms beeinträchtigt wird.

Die Lösung des Problems: Der große Altar soll für zwei Jahre in der Deutschen Kirche auf dem Campo Santo Teutonico in Rom zwischengeparkt werden.

Neue Heimat auf dem Campo Santo Teutonico

Mitten im Vatikan, im Schatten des Petersdoms, liegt ein kleiner grüner Friedhof. Auf dem Campo Santo Teutonico gibt es Palmen, alte Grabplatten und eine Kirche. Seit dem Mittelalter ist dieser Ort Anlaufstelle für deutschsprachige Pilger. Ausgerechnet hier, wo ohnehin alles voller Geschichte und Kunstgeschichte steckt, findet der Altar aus Naumburg seine neue Heimat. “Wir sind heilfroh, dass er da ist”, sagt Peter Klasvogt, Rektor des Priesterkollegs am Campo Santo und der Mann, der dem Naumburger Altar “Kirchenasyl” gewährt.

Der Stiftsdirektor von Naumburg, Holger Kunde, hofft, dass es eine Einigung geben wird, um den Altar zurückzuholen – ohne den Welterbestatus zu gefährden. “Durch das intensive Ringen in den nächsten zwei Jahren werden wir zu einer hoffentlich sehr guten Lösung kommen.”

Leipziger Maler gestaltet Mittelteil neu

Der Fall, der gelöst werden soll, beginnt streng genommen im 16. Jahrhundert. Da wüteten Protestanten im Naumburger Dom und zerstörten die mittlere Tafel des Altars – reformatorische Cancel Culture. Die Muttergottes fiel dem Bildersturm zum Opfer. Die beiden Seitenflügel von Lucas Cranach blieben erhalten.

2017, im Jubiläumsjahr der Reformation, gab die Dom-Stiftung in Naumburg beim Leipziger Maler Michael Triegel ein neues Altarbild in Auftrag. “Das Reizvolle an dem Auftrag war für mich nicht nur die Zusammenarbeit quasi mit Lucas Cranach”, so Triegel. Es sei auch darum gegangen, “eine Arbeit zu schaffen, die sich mit dem Ort auseinandersetzt, an dem sie steht”.

UNESCO sieht Welterbe-Status gefährdet

Das sehen die von der UNESCO bestellten Denkmalschützer anders. Die Lücke im Naumburger Altar ist nun geschlossen und deshalb der Blick auf den dahinterliegenden Chor samt Figuren versperrt. Die implizite Forderung: Räumt den Altar weg, sonst droht der Entzug des Weltkulturerbetitels für den Naumburger Dom.

“Der Entzug eines Welterbes wäre ja eine Schädigung all dieser Bemühungen und wir würden vielen Leuten vor den Kopf stoßen”, sagt Holger Kunde. Das wolle man nicht, aber es seien viele Akteure beteiligt. “Deswegen geht es darum, eine gemeinschaftliche Lösung zu finden.”

Teil dieser Lösung soll erstmal der Standort auf Zeit im Vatikan sein. Die Restauratorin des Naumburger Doms, Hannah Stahl, hat den Transport des kostbaren Kunstwerks über die Alpen begleitet. Sie bestätigt, dass der Altar die Reise gut überstanden hat: “Es gibt keine Schäden, soweit wir das beurteilen können.”

Inzwischen ist der Altar an seinem Übergangsstandort im Vatikan angekommen.

Altar zeigt “Menschen wie du und ich”

Inzwischen steht der Altar gut ausgeleuchtet an seinem Übergangsstandort im Schatten des Petersdoms. Die beiden Seitenflügel von Lucas Cranach mit Aposteln und Heiligen und in der Mitte Maria mit dem Jesuskind, die Michael Triegel im Stil der Alten Meister neu gemalt und interpretiert hat.

Hinter der Muttergottes stünden keine Heiligen, sondern Menschen wie du und ich, sagt Klasvogt. Es seien Zeitgenossen, die mit Maria in ein Gespräch über Jesus einträten, so der Rektor des Priesterkollegs. “Und das ist doch die Einladung: Komm mit in dieses Gespräch. Und unser ganzes Leben ist eigentlich so ein heiliges Gespräch.”

Besonders auffällig im Mittelteil von Triegel ist ein Mann mit grauem Bart und roter Baseballkappe. Es ist ein Obdachloser, der Triegel Modell stand – in Rom. Der Mann ist vor ein paar Jahren gestorben. Papst Franziskus wollte, dass er auf dem Campo Santo begraben wird. Er ruht nun ein paar Meter entfernt von seinem Porträt in der Kirche. Vielleicht ein Hinweis, dass dieses Bild genau an seinem richtigen Platz ist – zumindest vorübergehend.

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