Staatsschutz ermittelt nicht wegen Deutschlandflaggen

Staatsschutz ermittelt nicht wegen Deutschlandflaggen

Eine Flagge der Bundesrepublik Deutschland weht im Wind.


faktenfinder

Stand: 29.10.2025 16:13 Uhr

AfD-Chefin Alice Weidel behauptet mit Blick auf Vorfälle in Nordrhein-Westfalen, dass der Staatsschutz ermittelt, wenn Bürger Deutschlandflaggen hissen. Doch das ist falsch.

Carla Reveland

Pascal Siggelkow, SWR

“Wenn Deutschlandflaggen aufgehängt werden, ermittelt also der deutsche Staatsschutz”, schreibt AfD-Fraktionschefin Alice Weidel auf dem Kurznachrichtendienst X. In den Kommentaren darunter heißt es beispielsweise: “Wenn der Staat die Fahne seines Volkes für gefährlich hält, dann ist die Gefahr nicht die Fahne, sondern der Staat” oder: “Willst du mal den Staatsschutz sehen, lass die deutsche Fahne wehen”.

Weidel verweist in ihrem Post auf einen Artikel der Schweizer Wochenzeitung “Die Weltwoche”. In dem Artikel heißt es: “Zum zweiten Mal binnen weniger Tage führt das Hissen von Deutschlandfahnen im öffentlichen Raum zu Ermittlungen des Staatsschutzes.” Doch das ist falsch.

Keine Ermittlungen vom Staatsschutz

Anlass der Berichterstattung ist eine Aktion im nordrhein-westfälischen Hilchenbach, wo am Wochenende zahlreiche Deutschlandfahnen an Laternen, Schildern, Hecken und Zäunen auftauchten. Die Polizei bestätigt tagesschau.de jedoch, dass keine Straftat vorliege. Die Polizei Siegen-Wittgenstein hat “keine Strafanzeige aufgenommen, da es überhaupt keine Hinweise auf eine politische Motivation gibt.” Auch die Stadt Hilchenbach sieht keinen Anlass für weitere Maßnahmen, da kein Verstoß, keine Ordnungswidrigkeit oder eine Gefährdung des Verkehrs vorlägen.

Der Vorgang wurde dem Staatsschutz lediglich zur Kenntnis geschickt – Ermittlungen gebe es nicht. Die Berichterstattung sei “schlichtweg falsch”, so der Polizeisprecher. “Bezüglich der gehissten Fahnen in Hilchenbach finden keine Ermittlungen unserer Behörde statt”, bestätigt auch eine Sprecherin der Kriminalinspektion Polizeilicher Staatsschutz des Polizeipräsidiums Hagen tagesschau.de.

Das Aufhängen der Deutschlandflagge ist rechtlich erlaubt. Es stehe jedem frei, die Bundesflagge ohne Adler “jederzeit und überall zu nutzen, solange sie als staatlichen Symbol nicht verunglimpft wird”, erläutert die Polizeidienststelle Siegen-Wittgenstein der “Siegener Zeitung”. Nur die Dienstflagge mit Bundesadler ist Behörden vorbehalten. Ihre Nutzung ist eine Ordnungswidrigkeit. Verboten sind zudem Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen.

Ermittlungen wegen Hausfriedensbruch

In einem Fall im benachbarten Märkischen Kreis ermittelt tatsächlich der Staatsschutz Hagen – jedoch nicht wegen des Hissens von Deutschlandfahnen. Aufgrund eines Hausfriedensbruchs habe die Kreispolizeibehörde im Märkischen Kreis am 20. Oktober 2025 eine Strafanzeige gefertigt, schreibt das Polizeipräsidium Hagen.

An einem Funkmast, der auf einem eingezäunten Gelände steht, sei eine Deutschlandfahne ohne Wissen des Eigentümers gehisst worden. An dem Zaun sei laut Hagener Polizei ein Schild mit der Aufschrift “National Stolz ist kein Verbrechen” in den Farben der Nationalfahne angebracht gewesen. “Die Kriminalinspektion Polizeilicher Staatsschutz der Polizei Hagen prüft derzeit, ob es sich um eine politisch motivierte Tat handelt. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen gibt es, über den Hausfriedensbruch hinaus, keinen weiteren Straftatbestand, der erfüllt ist”, so die Pressesprecherin.

Die Kriminalinspektion Polizeilicher Staatsschutz nehme immer dann Ermittlungen auf, sobald sich der Anfangsverdacht einer politischen Motivation bei einer Straftat ergebe. “Bei einem Aufhängen einer Flagge, im Zusammenhang mit dem geschilderten Hausfriedensbruch, ist dies gegeben”, teil die Hagener Polizei mit. Ermittlungsgegenstand ist daher explizit nicht die Flagge, sondern es wird aufgrund der vorliegenden Umstände ermittelt. “Das Hissen einer nicht verbotenen Flagge, sofern kein Hausfriedensbruch oder Ähnliches begangen wird, ist keine Straftat”, betont die Polizei Hagen.

Aufruf, Deutschlandfahnen zu hissen

Auch zu dem Fall im Märkischen Kreis äußerte sich Weidel bei einem AfD-Bürgerdialog im baden-württembergischen Donaueschingen. Irgendwo in Deutschland seien ein paar Deutschlandfahnen aufgehangen worden und der Staatsschutz ermittele, sagt sie in ihrer Rede. “Eigentlich ist das doch ein Aufruf, um ganz viele Deutschlandfahnen aufzuhängen, nicht wahr? Hängt sie auf die Deutschlandfahnen”, so Weidel weiter.

“Lasst uns ein Zeichen setzen: Hisst die Flagge auf eurem Grundstück, teilt Fotos mit #HissDieFlagge und zeigt, dass Stolz auf Deutschland kein Verbrechen ist!”, schreibt auch die AfD Hannover Land Süd auf X. Unter den Hashtags #HissDieFlagge und #AktionHissDieFlagge wird seit mehreren Wochen dazu aufgerufen Deutschlandfahnen zu hissen. So heißt es etwa: “Jetzt erst recht: Kauft Euch viele Deutschlandflaggen, #HissdieFlagge und verschönert das #Stadtbild!”

Zahlreiche Videos und Bilder, welche das Beflaggen von Deutschlandfahnen an unterschiedlichen Orten zeigen, werden mit dem Hashtag geteilt. Darunter auch einige KI-generierte Inhalte. Auch bekannte Rechtsextreme wie Martin Sellner beteiligen sich an der Aktion. Er postet auf X ein Video, dass Aktivisten der “Identitären Bewegung” beim Aufhängen der österreichischen Flagge zeigt und schreibt dazu: “Mit der IB Österreich beim verschönern des Stadtbildes in Wien. Macht mit! Flaggen bis zur Remigration. #Hissdieflagge”

Ursprung in britischer Kampagne

Es handele sich hierbei um ein bundesweites Phänomen, erläutert die Pressesprecherin der Polizeibehörde Hagen. “Bislang liegen der Kriminalinspektion Polizeilicher Staatsschutz des Polizeipräsidiums Hagen keine Hinweise vor, dass es zu ähnlichen Aktionen im Zuständigkeitsbereich gekommen ist.”

Eine ähnliche Kampagne namens “Operation Raise the Colours” läuft seit einiger Zeit in Großbritannien. Über soziale Netzwerke wird dazu aufgerufen, britische und englische Flaggen sichtbar im öffentlichen Raum zu hissen. In Städten wie Birmingham, Bradford und Norwich wurden daraufhin teils ohne Genehmigung der Behörden Fahnen an Laternen, Zäunen und Hausfassaden angebracht. Mehrere Kommunen ließen die Flaggen wieder entfernen, da die Aktionen als politisch motiviert oder provokativ gelten.

Nach Recherchen von “Hope not Hate” zählen zu den Hauptorganisatoren der Kampagne rechtsextreme Aktivisten. So soll es beispielsweise Verbindungen zur “English Defence League” und “Britain First” geben.

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