In der “Stadtbild”-Debatte haben sich 50 prominente Frauen an den Kanzler gewandt. In einem offenen Brief fordern sie mehr Sicherheit – auf der Straße und zu Hause. Die Mehrheit der Deutschen fordert von Merz mehr Sorgfalt bei der Wortwahl.
50 prominente Frauen haben Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dazu aufgerufen, sich stärker für die Sicherheit von Frauen einzusetzen. Wie das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet, richten sie in der “Stadtbild”-Debatte einen offenen Brief an den Kanzler.
“Wir möchten gerne über Sicherheit für Töchter, also Frauen sprechen. Wir möchten es allerdings ernsthaft tun und nicht als billige Ausrede dienen, wenn rassistische Narrative gerechtfertigt werden sollen”, heißt es laut Spiegel darin.
Merz hatte am 14. Oktober bei einer Pressekonferenz in Potsdam gesagt, es gebe “im Stadtbild noch dieses Problem” – offenbar als Anspielung auf Menschen mit Migrationshintergrund. Auf die Frage eines Journalisten, was er damit gemeint habe, sagte der Kanzler wenige Tage später, der Journalist solle, wenn er Töchter habe, diese fragen. “Ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort”, sagte Merz, ohne dabei zunächst weiter zu präzisieren, was er als Problem versteht.
Sicherheit – auf der Straße und zu Hause
Zu den Unterzeichnerinnen des Schreibens gehören laut Spiegel unter anderem die Grünen-Politikerin Ricarda Lang, die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer, die Sängerin Joy Denalane, die Autorin Alice Hasters, die Ökonomin Isabella Weber und die Soziologin Jutta Allmendinger. Der Brief solle im Laufe des Dienstags veröffentlicht werden und könne dann auch von anderen unterzeichnet werden.
Der Appell an den Kanzler sei nach Angaben der Initiatorinnen aus den zahlreichen “Töchter“-Protesten der vergangenen Tage hervorgegangen, berichtet der Spiegel. “Wir wollen einen öffentlichen Raum, in dem sich alle Menschen wohlfühlen”, heiße es in dem Text: “Und wir wollen, dass Frauen sicher sind – auf der Straße und im eigenen Zuhause.”
Zu den Forderungen zählen bessere Strafverfolgung bei sexualisierter und häuslicher Gewalt, ausreichend finanzierte Frauenhäuser und Schutzräume sowie einen gezielten Einsatz gegen Altersarmut von Frauen.
Merkel fordert maßvollen Ton
Im Zentrum der Kritik steht vor allem die Art und Wiese, wie sich der Bundeskanzler geäußert hat. Auch die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte jetzt auf einer Lesung in Bonn die Bedeutung der Wortwahl. Man müsse gerade in der Flüchtlingspolitik “in der Sache redlich und im Ton maßvoll” sein, sagte sie rückblickend auf das Jahr 2015, als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kamen.
Auf die derzeitige “Stadtbild”-Debatte oder andere aktuelle Fragen ging Merkel nicht direkt ein, zitierte aber aus ihrem Buch “Freiheit: “Die übergroße Mehrheit der Menschen hat ein untrügliches Gespür dafür, ob Politiker aus einem Kalkül handeln, ob sie sich sogar von der AfD gleichsam am Nasenring durch die Manege führen lassen, oder ob sie handeln, weil sie aufrichtig daran interessiert sind, Probleme zu lösen.”
Grünen-Chef: Merz lässt Debatte einfach laufen
Grünen-Co-Chef Felix Banaszak bekräftige seine Kritik an Merz. In Bezug auf Kanzler Merz sagte er im WDR: “Der Mann ist Bundeskanzler, der hat Verantwortung für dieses Land und der hat auch Verantwortung für die Worte, die er wählt.”
Er warf Merz vor, nichts “konkret vorzuschlagen, was dann tatsächlich im Stadtbild von Gelsenkirchen, Hagen oder wo auch immer in ein paar Jahren eine Verbesserung zeigt”. Merz lasse die Debatte einfach laufen. Das sei “verantwortungslos”.
Zwei Drittel der Deutschen für mehr Sorgfalt bei Wortwahl
Laut einer Umfrage findet auch die Mehrheit der Deutschen die Wortwahl des Kanzlers problematisch. Das ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins Stern. 66 Prozent erwarten demnach von Merz mehr Sorgfalt bei der Wortwahl. 30 Prozent dagegen finden die Äußerungen des CDU-Chefs im Allgemeinen angemessen und richtig.
Die Kritik an Merz geht laut Umfrage quer durch alle Bevölkerungsgruppen. Besonders kritisch sehen die Anhänger von Linken (96 Prozent), Grünen (92 Prozent) und SPD (83 Prozent) seine Wortwahl, aber auch die AfD-Wähler (50 Prozent). Bei den Anhängern der Union ist eine Mehrheit von 55 Prozent mit der Kommunikation des Kanzlers einverstanden. Aber auch von den eigenen Unterstützern erwarten 44 Prozent, dass Merz künftig sorgfältiger formuliert.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hatte am Donnerstag und Freitag 1.008 Personen die folgende Frage gestellt: “Bundeskanzler Friedrich Merz gebraucht manchmal Formulierungen, die heftige Diskussionen auslösen. Finden Sie persönlich die Äußerungen von Friedrich Merz im Allgemeinen angemessen und richtig oder sollte er seine Worte und Formulierungen sorgfältiger abwägen?”
