NABU verleiht Umweltnegativpreis an Landesagrarminister der Union

NABU verleiht Umweltnegativpreis an Landesagrarminister der Union

 Peter Hauk spricht während einer Pressekonferenz.

Stand: 29.12.2025 12:04 Uhr

Weil mehrere Agrarminister der CDU und CSU eine EU-Verordnung zur Renaturierung abschaffen wollten, erhalten sie vom NABU den “Dinosaurier des Jahres”. Die Unionspolitiker weisen die Kritik zurück.

Von Nadine Gode und Janina Schreiber, SWR

Moore wieder vernässen, Flüssen mehr Raum geben und Wälder aufforsten – das ist das Ziel der EU-Wiederherstellungsverordnung (EU-W-VO): “Insofern dient die EU-Wiederherstellungsverordnung auch dafür, dass wir bei der Anpassung an den Klimawandel resilienter werden”, sagt Johannes Enssle, Landesvorsitzender des Naturschutzbundes NABU Baden-Württemberg. Denn gesunde Moore, Wiesen und Wälder können zum Beispiel Starkregen abpuffern und Klimagase speichern.

Blockade von Unions-Politikern gegen EU-Gesetz

Doch nach Ansicht des NABU haben Agrarministerinnen und -minister der Union die EU-Wiederherstellungsverordnung blockiert, weshalb sie den diesjährigen Umweltnegativpreis “Dinosaurier des Jahres” bekommen. Weil der baden-württembergische CDU-Landwirtschaftsminister Peter Hauk in diesem Jahr die Agrarministerkonferenz leitet und federführend bei der Initiative gegen die EU-Wiederherstellungsverordnung gewesen sei, erhält er die zinnerne Dino-Figur stellvertretend. “Sie bekommen ihn dafür, dass sie rummäkeln und rumjammern, das Gesetz nicht umsetzen wollen und von der gesamten EU fordern, dass dieses Gesetz rückgängig gemacht wird”, sagt Enssle.

EU-Wiederherstellungsverordnung

Die EU-Wiederherstellungsverordnung, oder auch EU-Renaturierungsgesetz, ist nach langen Verhandlungen seit Sommer 2024 in Kraft. Die Idee: Alle EU-Mitgliedstaaten müssen ihre geschädigten Ökosysteme an Land, an der Küste, Flüsse und Meere wieder in einen guten Zustand zurückversetzen. Denn mehrere wissenschaftliche Berichte zeigen: Europaweit ist die Natur in einem kritischen Zustand. Die Ziele der EU-W-VO sind gestaffelt. Bis 2050 sollen fast alle geschädigten Ökosysteme wieder einen guten ökologischen Zustand erreicht haben. Das sei nicht nur für den Schutz der Artenvielfalt, sondern auch für das Erreichen der Klimaziele der EU wichtig. So können intakte Ökosysteme wie Moorböden etwa als bedeutende Kohlenstoffsenken wirken.

Hauk kritisiert Bürokratie und Auflagen

Auf Anfrage der ARD-Klimaredaktion äußert sich der baden-württembergische Minister Hauk: “Mit einem Mehr an Bürokratie und Auflagen wird es nicht gelingen, auch nur ein kleines Stück mehr Natur zu erhalten. Was wir jetzt benötigen, sind Vernunft und Pragmatismus sowie Anreize statt neue Bürokratie.” Mit immer mehr Bürokratie würde weder Natur, Wald noch Klima geschützt werden, so Hauk. “Zumal doch viele Maßnahmen der letzten Jahre für mehr Biodiversität und Artenvielfalt gesorgt haben. Die Frage ist, wohin wollen wir zurück. Diese Frage diskutieren wir als Agrarminister gerne mit dem NABU.”

Zuvor schrieb Hauk mit anderen Unions-Politikerinnen und -politikern in Briefen an die EU-Kommission und Bundesagrarminister Alois Rainer: In ihrer jetzigen Ausgestaltung führe die EU-Wiederherstellungsverordnung “vielfach zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand und trägt bei vielen Nutzenden zur Wahrnehmung bei, dass die EU zunehmend praxisferne Regelungen und umfangreiche Berichtspflichten einführt.” Die Umsetzung bedeute zu viel Bürokratie und belaste die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft unverhältnismäßig. So der Vorwurf.

NABU widerspricht Unionspolitikern

Der NABU widerspricht: Tatsächlich nehme die Verordnung weder die Landwirtschaft direkt in die Pflicht noch ziele sie auf einzelne Betriebe ab. Wissenschaftliche Fachleute betonen, dass die EU-Wiederherstellungsverordnung lediglich das Ziel festlegt, die Natur wieder gesund zu pflegen. Sie regele aber nicht, wie das passiert. Die Maßnahmen seien die Aufgabe der einzelnen EU-Mitgliedstaaten.

Nach Ansicht von Hauk müsse bei der Umsetzung des Gesetzes an bestehende Erfolge angeknüpft werden: “Wir in Baden-Württemberg haben dies beispielsweise bereits mit der Einführung und Umsetzung des Biodiversitätsstärkungsgesetzes sehr erfolgreich gezeigt.” Hier habe man eng mit Naturschutzverbänden wie auch dem NABU zusammengearbeitet. Dagegen sei ein “festgelegter und sanktionierbarer Pflichtenkanon” nicht der richtige Weg, so der Minister.

Zwar hatte die Blockade mit ihrem Vorstoß, die EU-Wiederherstellungsverordnung abzuschaffen, keinen Erfolg. Doch das bedeute längst keine Entwarnung, sagt Enssle, der NABU-Vorsitzende aus Baden-Württemberg: “Nach wie vor gibt es europaweit viele Kräfte, die daran arbeiten, dass diese Naturwiederherstellungsverordnung abgeschafft werden soll.”

“Dinosaurier des Jahres”

Seit mehr als 30 Jahren verleiht der Naturschutzbund NABU den “Dinosaurier des Jahres”. Der Umweltverband vergibt die mehr als zweieinhalb Kilogramm schwere Figur einer zinnernen Riesenechse an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder konkrete Projekte, die sich nach Ansicht des NABU durch besonders rückschrittliches, öffentliches Engagement in Sachen Natur- und Umweltschutz hervorgetan haben. In den vergangenen Jahren wurde der Negativpreis zum Beispiel an das Fischsterben in der Oder und das Planungsbeschleunigungsgesetz vergeben.

Umweltministerium arbeitet noch an Umsetzung

Derzeit arbeiten die Mitgliedstaaten an der Umsetzung der EU-W-VO: Sie schreiben eigene nationale Wiederherstellungspläne, auch Deutschland. Einen ersten Entwurf will das zuständige SPD-geführte Bundesumweltministerium im Laufe des Jahres 2026 vorlegen. Finalisiert werde dieser aber voraussichtlich erst 2027. Beteiligt am Prozess sind sowohl die Öffentlichkeit als auch die zuständigen Ressorts der Bundesministerien.

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