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Große Teile Syriens sind zerstört. Außenminister Wadephul sieht dort aktuell kaum Chancen für ein würdiges Leben – und damit für Rückkehrer. In der Union schlug das Wellen. Doch liegen die Positionen wirklich weit auseinander?
Der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, versucht, die Debatte zu beenden: “Es ist ein Scheinkonflikt.” Ein Scheinkonflikt, den die Bild-Zeitung zu einem scheinbar großen Konflikt innerhalb der Union gemacht hat. Es geht um eine mögliche Rückkehr von syrischen Flüchtlingen.
Außenminister Johann Wadephul hat sich die Situation in Syrien angesehen und kam vor Ort zu dieser Einschätzung. “Kurzfristig können sie nicht zurückkehren”, sagte der CDU-Politiker. “Ein dermaßen großes Ausmaß an Zerstörung habe ich persönlich noch nicht gesehen – habe ich mir auch nicht vorstellen können. Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.”
Der Satz schlug Wellen und warf Fragen auf. Denn die Bundesregierung – vor allem die Union – will nach Syrien abschieben. So ist es schließlich im Koalitionsvertrag festgehalten, beginnend mit Straftätern. Dazu steht auch Wadephul.
Spahn sieht “patriotische Pflicht” für Syrer
Aber was folgt dann? Abgesehen davon, dass niemand genau sagen kann, wie viele Straftäter syrischer Herkunft es in Deutschland gibt. Eine Statistik fehlt. Einige Bundesländer nennen keine Zahlen.
Fest steht: In Deutschland leben etwa 950.000 Menschen aus Syrien, 226.000 arbeiten, zahlen Steuern und in die Sozialversicherungen ein. Dass von ihnen viele freiwillig nach Syrien zurückgehen, dafür gibt es zurzeit keine Anzeichen.
Auch wenn Jens Spahn eine patriotische Pflicht der Syrer sieht: “Stellen Sie sich vor, Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in den Trümmern, wenn die Großväter und Großmütter unser Land nicht wieder aufgebaut hätten? Wie sähe es heute aus?”, fragt CDU-Politiker Spahn. “Ich halte es für eine patriotische Pflicht, dass man seine Heimat wieder aufbaut, dass man dort mithilft. Und das gilt auch für die syrischen Flüchtlinge hier im Land. Natürlich sollen sie zu Hause mithelfen.”
Union will mit dem Thema Abschiebungen punkten
Was Spahn sagt, ist Konsens in der Union. Aber es geht um mehr als Patriotismus. Die Union glaubt weiterhin, mit dem Thema Abschiebungen bei Wählern und Wählerinnen zu punkten, vor allem Bundesinnenminister Alexander Dobrindt: “Wir sind auch dabei, mit Syrien Vereinbarungen zu machen, die die Rückführungen nach Syrien ermöglichen. Das ist der Auftrag, der sich aus dem Koalitionsvertrag ergibt. Und dieser Auftrag wird von mir entsprechend umgesetzt”, so der CSU-Politiker.
Rückführungen meint Abschiebungen, also eine erzwungene Rückkehr. 920 Syrer sind derzeit unmittelbar ausreisepflichtig, mehr als 9.000 sind geduldet. Auch sie könnten abgeschoben werden. Geht es nach Dobrindt: möglichst schnell. Geht es nach Wadephul, sollte man das nicht überstürzen und auch keine falschen Erwartungen wecken.
Krankenhäuser warnen vor Ärztemangel
Und dann gibt es auch Stimmen, die darauf setzen, dass einige bleiben. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft etwa lässt wissen, dass syrische Ärzte und Ärztinnen für deutsche Kliniken unverzichtbar sind.
Der Generalsekretär der SPD, Tim Klüssendorf, versteht die Debatte in der Union erst gar nicht: “Für uns ist die Haltung sehr klar. Es gibt Verabredungen aus dem Koalitionsvertrag, es gibt Verabredungen innerhalb der Koalition. Wir schieben Straftäter ab, wir schieben Gewalttäter ab.” Alles, was darüber hinausgehe müsse man “anhand der Situation” entscheiden, so Klüssendorf. “Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass das so ausgetragen worden ist, weil ich das bisher nicht als Debatte empfunden hatte.”
Womit der SPD-Generalsekretär ganz nah beim CDU-Generalsekretär ist. Von wegen Scheindebatte.

