Frauen im Iran: Selbstbestimmung, auch auf zwei Rädern

Frauen im Iran: Selbstbestimmung, auch auf zwei Rädern

Frauen und Männer auf Motorrollern auf einer Straße in Teheran, Iran.

Stand: 31.10.2025 11:02 Uhr

Frauen, die ein Motorrad steuern – im Iran ist das ein Politikum. Bislang galt, dass der Platz einer Frau nur auf dem Soziussitz ist. Doch mittlerweile setzen sich viele Frauen darüber hinweg. Welches Risiko gehen sie dabei ein?

Benjamin Weber

Im Iran wird diskutiert: Soll Frauen das Motorradfahren erlaubt werden? Im Gesetz ist ausschließlich von Männern die Rede, die den Führerschein machen können. Das wurde bislang als Verbot für Frauen interpretiert. Erlaubt ist nur, mitzufahren – hinter einem Mann.

Doch immer mehr Frauen fahren mittlerweile einfach selbst. Sie sind im alltäglichen Verkehr zu sehen und in Videos, die im Internet viral gehen.

Da ist zum Beispiel zu sehen, wie eine Gruppe Frauen unter Jubel der Umstehenden auf bunten Rollern durch Teheran fährt – teilweise ohne Kopftuch.

Ein anderes Video zeigt ein nächtliches Treffen von Frauen mit Motorrädern vor einem hippen Coffee-Shop. Solche Videos gibt es viele; dass die Frauen beim Motorradfahren Strafen riskieren, zeigt den gesellschaftlichen Bedarf.

So will es das Gesetz im Iran: Der Mann lenkt, die Frau nimmt hinter ihm auf dem Motorrad Platz.

Kein Versicherungsschutz

“Seit meiner Jugend wollte ich Motorrad fahren”, sagt die 46-jährige Yeganeh. “Aber aus persönlichen und sozialen Gründen ist es lange nicht dazu gekommen, bis ich dann doch eins bekommen habe.”

Heute fährt sie Motorrad. Als vor drei Jahren ihr Ehemann starb, war sie plötzlich auf das kleine, schwarze Motorrad angewiesen, auf dem sie bis dahin immer nur hinten gesessen hatte. Ein Auto hatte das Teheraner Paar nicht.

“Natürlich habe ich Angst. Ich will nicht, dass mein Motorrad beschlagnahmt wird, ich möchte keinen Ärger mit der Polizei oder anderen Risiken ausgesetzt sein. Bei einem Unfall haben wir Frauen keinen Versicherungsschutz. Deshalb versuche ich, vorsichtig zu fahren, damit mir nichts passiert.”

“Ein natürliches Recht”

Doch für Yeganeh ist das Motorrad nicht nur ein Transportmittel. Es hat für sie auch eine politische Bedeutung. “Wir im Iran, vor allem die Frauen, müssen uns jeden Tag durchschlagen, es ist ein täglicher Kampf. Deswegen ist Motorradfahren für mich sowohl eine Quelle der Freude, als auch eine Form des Widerstands. Eine Möglichkeit, ein natürliches Recht einzufordern.”

Das natürliche Recht auf Gleichberechtigung. Der gewaltsame Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini und die anschließenden Protestbewegung unter dem Slogan “Frau, Leben, Freiheit”, die das Regime brutal niedergeschlagen hat, all das hat die Islamische Republik Iran verändert.

Heute nehmen sich Frauen Rechte, die sie eigentlich nicht haben. Viele haben auch das Kopftuch dauerhaft abgelegt. Das Regime lässt das zur Zeit zu.

Ähnlich verhält es sich beim Motorradfahren: Weil immer mehr Frauen einfach gefahren sind, hat plötzlich das Parlament diskutiert, ob man es gesetzlich erlauben soll. Für viele im Iran ein Erfolg.

Manche Frauen fahren auch ohne Kopftuch Motorrad – für die Ordnungshüter eine noch größere Provokation.

Regierung wiegelt ab

Eine Regierungssprecherin sagte im Staatsfernsehen: “Frauen fahren Traktor, sie können den Lkw-Führerschein machen und Flugzeuge fliegen. Dank weiblicher Fähigkeiten gibt es da keine Probleme, Gott sei Dank.”

Der Tenor: Frauen dürfen doch viel im Iran, daher sieht man keinen Handlungsbedarf. Die Regierung habe ihre Haltung zu Motorradfahrerinnen zum Ausdruck gebracht und deshalb auch keinen Gesetzesentwurf vorgelegt. “Aus Sicht der Regierung gibt es keine rechtlichen Probleme für Frauen, Motorrad zu fahren.”

“Zumindest minimal ich selbst sein”

Und so bleibt das Thema in der Grauzone. Frauen, die erwischt werden, sind vom Gutdünken der Polizei und Gerichten abhängig.

Yeganeh berichtet, Behörden hätten sie kürzlich angewiesen, alle ihre Social Media-Bilder mit Motorrad zu löschen. Dem ist sie nachgekommen.

Aber Motorrad fahren will sie weiter. “Motorradfahren macht mir Spaß. Es gibt mir ein Gefühl von Freiheit. Und ich habe das Gefühl, dass ich in einer Gesellschaft, in der mir so viele Dinge verboten sind, zumindest minimal ich selbst sein kann.”

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