Erneute Parlamentswahl im Kosovo: Neue Regierung oder Dauerkrise?

Erneute Parlamentswahl im Kosovo: Neue Regierung oder Dauerkrise?

Ein Poster mit dem Bild von Albin Kurti wird eingerollt.

Stand: 28.12.2025 04:54 Uhr

Im Kosovo wird heute zum zweiten Mal in diesem Jahr gewählt. Zehn Monate lang fand der linksnationale Premier Kurti keinen Koalitionspartner. Die Opposition sieht ihn als Spalter, er selbst strebt die absolute Mehrheit an.

Oliver Soos

Die politische Ausgangslage im Kosovo ist das, was man eine politische Pattsituation nennt. Der stärkste politische Akteur ist Noch-Premier Albin Kurti. Von ihm hing alles ab in den vergangenen Monaten, und das könnte sich auch weiter so fortsetzen.

Kurti regierte mit seiner linksnationalen Vetevendosje-Partei eine volle Legislaturperiode lang (von 2021 bis 2025) mit absoluter Mehrheit. Dann holte seine Partei bei der Parlamentswahl im Februar rund 42 Prozent der Stimmen. Das war zwar auch wieder das mit Abstand beste Ergebnis, doch Kurti brauchte von da an einen Koalitionspartner und fand ihn nicht. Das liegt unter anderem daran, dass er zu sehr polarisiert.

Kämpfer für Selbstbestimmung oder Populist?

Der 50-jährige Kurti ist ein ehemaliger Anführer von Studentenprotesten und politischer Aktivist der Kosovo-Untergrundarmee UCK. Unter dem Regime des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic wurde er im Gefängnis gefoltert.

Kurti galt nach seiner Freilassung als Kämpfer für die Selbstbestimmung des Kosovo und gegen die Korruption. Viele seiner Anhänger verehren ihn noch immer und betreiben einen regelrechten Personenkult um ihn.

Andere sehen ihn dagegen als eine politische Enttäuschung und als einen Populisten. Die Opposition wirft Kurti vor, in seiner vierjährigen Regierungszeit so arrogant und autoritär geworden zu sein, dass eine Kooperation mit ihm unmöglich geworden sei.

Kurti wiederum sieht die Schuld an der aktuellen Regierungskrise nur bei den anderen Parteien. Sie seien destruktiv und von Neid und Missgunst durchzogen.

Das kleine Land zwischen Serbien und Albanien steckt in einer politischen Dauerkrise.

Wahlsieger ohne ausreichende Mehrheit

Albin Kurti hätte nach der Wahl im Februar mit 42 Prozent der Stimmen eigentlich leicht einen Koalitionspartner finden können. Doch es fehlte der Wille für ernsthafte Koalitionsverhandlungen – so sieht es einer der bekanntesten Politikanalysten des Kosovo, Albert Krasniqi, von der Nichtregierungsorganisation Democracy Plus, sagt: “Die regierende Vetevendosje-Partei wollte ihre Macht nicht mit anderen Parteien teilen.” Sie habe sich darauf fokussiert, einzelne Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. “Und statt mit den Oppositionsparteien zu verhandeln, wurden diese attackiert.”

Vetevendosje habe auf Neuwahlen zum Jahresende spekuliert, weil dann viele Kosovaren aus der Diaspora auf Heimaturlaub sind. “Es wird geschätzt, dass da mehr als 300.000 Leute kommen und dass die meisten Vetevendosje-Wähler sind”, sagt Krasniqi.

Wahl des Parlamentspräsidenten 50 Mal gescheitert

Seit gut zehn Monaten dauert nun schon die Regierungskrise im Kosovo an. Ein Problem war dabei auch die kosovarische Verfassung. Sie sieht vor, dass nach jeder Parlamentswahl zuerst das Parlament neu formiert werden muss. Dazu muss die stärkste Partei einen Parlamentspräsidenten vorschlagen und der muss dann von der absoluten Mehrheit des Parlaments gewählt werden.

Das scheiterte in diesem Jahr mehr als 50 Mal. Die Vetevendosje-Partei hatte insgesamt fünf Kandidaten vorgeschlagen. Für die anderen Parteien waren das zum Teil sehr umstrittene Politiker. Erst Ende August, nach siebeneinhalb Monaten, konnte man sich auf einen Kandidaten einigen.

Doch dann scheiterte die Bildung einer Regierungskoalition ziemlich schnell. Es hatte nie ernsthafte Verhandlungen gegeben, zwischen Kurtis Vetevendosje und den drei großen Oppositionsparteien, PDK, LDK und AAK.

Opposition beklagt Spaltung des Landes

Lumir Abdixhiku, der Vorsitzende der liberalkonservativen LDK-Partei (einer Partnerpartei von CDU und CSU), klang immer so, als ob es mit Kurti nicht ansatzweise ein Vertrauensverhältnis gäbe. “Wir haben eine Regierung erlebt, die keine gleichberechtigten Bürger anerkennt, sondern zwischen Anhängern und Feinden unterscheidet”, sagt Abdixhiku. Die Regierung habe das Land in “Patrioten und Verräter, in Gut und Böse” gespalten und ein Klima des Zorns statt des Friedens geschaffen, so der LDK-Politiker.

Die Oppositionsparteien werfen Kurti vor, als Premierminister eine schlechte Wirtschaftspolitik gemacht zu haben. Er habe sich zudem in den Konflikt mit der serbischen Minderheit im Norden des Kosovo verbissen. Kurti ließ dort lokale serbische Behördenstrukturen schließen und seine kosovo-albanische Polizei zum Teil hart durchgreifen.

Viele Vetevendosje-Anhänger rechnen das Kurti hoch an. Aus ihrer Sicht beschützt er den Kosovo vor dem Einfluss der autoritären serbischen Regierung in Belgrad.

Kurti gibt sich kämpferisch

Die EU verhängte jedoch Sanktionen gegen den Kosovo. Zwischen einer halben und einer Milliarde Euro an Hilfsgeldern wurden eingefroren. Wobei das ab Anfang kommenden Jahres laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Teil wieder aufgehoben werden soll.

Kurti wirft den Oppositionsparteien vor, die alte korrupte Machtelite des Landes zu verkörpern und für die aktuelle Regierungskrise verantwortlich zu sein. Kurti gab sich vor wenigen Tagen bei einem Wahlkampfauftritt kämpferisch. “Am 28. Dezember müssen wir einen weiteren Sieg erringen. Und wir brauchen mehr als 50 Prozent, um das Parlament schnell zu konstituieren und eine stabile Regierung zu bilden.” Man sei in dieser Legislaturperiode auf “Destruktivität gestoßen, auf Wut und Neid, auf viele Blockaden und Hindernisse”, so Kurti in seiner Wahlkampfrede.

Gefahr einer politischen Dauerkrise

Wenn es nun bei der Wiederholung der Parlamentswahl wieder keine klaren Mehrheitsverhältnisse und keine Kooperationen gibt, dann kommt recht bald ein weiteres Problem hinzu. Im April läuft die Amtszeit der Staatspräsidentin Vjosa Osmani aus, und das Parlament muss im März einen neuen Präsidenten wählen mit einem bestimmten Quorum.

Wenn das scheitert, dann muss sich das Parlament erneut auflösen. Und dann könnte es im Kosovo eine politische Dauerkrise geben.

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