Gestern feierte die niederländische D66 schon den scheinbar klaren Wahlsieg. Doch nun ist das Rennen so knapp, dass es dauern wird, bis ein Ergebnis vorliegt. D66-Chef Jetten hat aber gute Chancen, Premier zu werden.
Am Wahlabend sah Rob Jetten schon wie der sichere Gewinner dieser Parlamentswahl in den Niederlanden aus. Im Pop-Podium der Universitätsstadt Leiden ließ sich der Chef der linksliberalen Partei “Demokraten 66” – kurz D66 – ausgelassen feiern. Doch über Nacht hat der Rechtspopulist Geert Wilders mit seiner “Partei für die Freiheit” (PVV) aufgeholt. Das letzte Wort, so Wilders, sei noch nicht gesprochen.
Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit D66, wer die größte Partei wird. Ein zuverlässiges Ergebnis gebe es noch nicht, sagte Wilders. “Ich hätte natürlich lieber mehr Stimmen gehabt, andererseits sind wir aufrecht geblieben. Wir haben die Regierung verlassen, weil die anderen sich nicht an die Absprachen gehalten haben. Den Schritt bereue ich nicht, aber ich wusste, dass dieses Ergebnis die Konsequenz sein könnte”, so der Rechtspopulist.
D66 kann Mandate wohl fast verdreifachen
Etwa 11 der derzeit 37 Mandate wird Wilders’ PVV wohl abgeben müssen. D66 hingegen klettert von 9 auf 26 Sitze. Ein Erfolg des charismatischen Spitzenkandidaten und Parteichefs Jetten. Mit seinen 38 Jahren könnte er der jüngste Regierungschef der niederländischen Nachkriegsgeschichte werden.
Wilders würde vermutlich selbst bei einem Wahlsieg keine Koalition bilden können. Alle etablierten Parteien lehnen eine Zusammenarbeit mit ihm ab.
Vieles spricht also für den früheren Klimaminister und Vize-Premier Jetten, der in der deutsch-niederländischen Grenzregion bei Nimwegen zu Hause ist. “Fakt ist, dass wir unglaublich viele Sitze hinzu gewonnen haben. Wilders hat verloren. Die Niederländer haben damit ein deutliches Signal abgegeben”, zeigte sich Jetten überzeugt.
Jetten hätte gute Chancen auf stabile Koalition
Die Wähler haben sich nach den chaotischen elf Monaten mit der rechten Vierer-Koalition um Premierminister Dick Schoof für mehr Stabilität entschieden und die politische Mitte gestärkt. Jetten käme mit den Christdemokraten, dem Bündnis aus Grünen und Sozialdemokraten und der konservativ-liberalen VVD auf eine komfortable Mehrheit im Parlament. Ein Mitte-links-Bündnis gilt damit als wahrscheinlich.
Keine schlechte Ausgangsposition, sagen viele Berufspendler am frühen Morgen am Bahnhof von Nimwegen. “Ich bin sehr froh. Die PVV ist zwar immer noch sehr groß, aber D66 hat gewonnen”, äußert sich eine Pendlerin. Ein anderer Passant spricht von einem guten Ergebnis: “Weniger PVV – das heißt mehr Dialog statt immer nur Hass zu säen.”
Endgültiges Wahlergebnis wohl erst in einigen Tagen
Nach den deutlichen Verlusten für die Grünen und die Sozialdemokraten, die im kommenden Jahr zu einer neuen progressiven Partei fusionieren werden, hat Parteichef Frans Timmermans noch am Wahlabend die Konsequenzen gezogen. Der frühere EU-Kommissar tritt zurück, weil er Platz für eine jüngere Generation machen will. Vermutlich wird ihn der grüne Spitzenpolitiker Jesse Klaver beerben.
Bis das endgültige Wahlergebnis vorliegt, könnte es noch ein paar Tage dauern, denn allein im Ausland haben etwa 90.000 Niederländerinnen und Niederländer gewählt. Auch diese Stimmen müssen noch ausgezählt werden. Und im Kopf-an-Kopf Rennen zwischen Wilders und Jetten geht es wirklich um jede einzelne Stimme.

