Das niederländische Unternehmen Coolblue will im deutschen Elektrofachhandel expandieren. Gleichzeitig ist der chinesische Konzern JD.com dabei, MediaMarkt und Saturn zu übernehmen. Was sind die Folgen?
Lange Lieferzeiten und ausbaufähiger Service gehören für viele Kundinnen und Kunden zum Alltag – und im Elektrofachhandel wächst der Druck, Beratung, Logistik und Einkaufserlebnis grundlegend zu modernisieren. Neue Dynamik entsteht durch die geplante Übernahme von Ceconomy, der Muttergesellschaft von MediaMarkt und Saturn, durch den chinesischen E-Commerce-Riesen JD.com. Mitte 2026 könnte es so weit sein.
Das Unternehmen bedient in China jährlich rund 600 Millionen Einzelhandelskunden pro Jahr und gilt als Logistikvorreiter. Ceconomy-Vorstand Kai-Ulrich Deissner sieht darin Chancen: Man wolle von der hohen Liefergeschwindigkeit und Technologiekompetenz profitieren. “Sie schaffen es, 95 Prozent der Online-Bestellungen am gleichen oder nächsten Tag auszuliefern”, betont er.
Zugang zum europäischen Markt
Der Konzernumsatz von JD.com erreichte im vergangenen Jahr 137 Milliarden Euro und lag damit sechsmal höher als der von Ceconomy. Das Interesse der Chinesen zielt vor allem auf den Zugang zum europäischen Markt, in dem Ceconomy insgesamt mehr als 1.000 Filialen betreibt. JD.com bestätigt, dass das Unternehmen in den ersten drei Jahren weder Standortschließungen noch betriebsbedingte Kündigungen bei MediaMarkt und Saturn geplant hat. Auch Tarifverträge sollen bestehen bleiben.
Welche Veränderungen im Konzept folgen könnten, ist offen. Ceconomy-Vorstand Deissner spricht von zwei Unternehmen, die “an das Gleiche glauben” und sich gegenseitig stärken wollen. Laut JD.com ziele die neue Partnerschaft auf eine weitere Transformation von Ceconomy durch die eigene “Omnichannel”-Handel- und Logistik-Expertise ab. Das Unternehmen beschäftigt zurzeit bereits rund 1.600 Mitarbeiter in mehr als 20 Lagerhäusern in Europa, fünf davon in Deutschland.
Viele chinesische Marken im Sortiment
Bislang stammen knapp zehn Prozent des Sortiments bei MediaMarkt und Saturn von chinesischen Marken wie Hisense, Haier, Xiaomi oder Huawei. Man wolle, dass Ceconomy auch künftig ein eigenständiges Unternehmen bleibe und die Hoheit über das Produktangebot behalte, schreibt JD.com auf Anfrage. Vor allem aber lege man Wert auf hochwertige Marken und verfolge einen Null-Toleranz-Ansatz gegenüber Produktfälschungen auf der Plattform.
Der E-Commerce-Experte und Branchenkenner Alexander Graf hält Vorbehalte gegenüber vielen Produkten aus Asien für überholt. “Fast alle Produkte, von der hochwertigen Drohne bis zum Kühlschrank, kommen mittlerweile aus Asien”, sagt er. Die Ingenieursleistungen seien international wettbewerbsfähig und mit europäischen Standards vergleichbar.
Das Versprechen schneller Logistik
Das Interesse am deutschen Markt kommt nicht nur aus China. Das niederländische Unternehmen Coolblue, ursprünglich mit Schwerpunkt auf Onlinehandel, möchte nun auch stationär in Deutschland expandieren. Die Niederländer versprechen Geschwindigkeit, Servicefreundlichkeit und ein Einkaufserlebnis, das nah am Alltag der Kundschaft sein soll. Von der Bestellung bis zum Versand vergehen rund sechs Minuten.
Der Gründer und heutige Unternehmenschef Pieter Zwart hat in hochmoderne Logistik und nachhaltige Infrastruktur investiert. Der zentrale Logistikstandort im niederländischen Tilburg umfasst rund 90.000 Quadratmeter und soll laut Unternehmensangaben durch Solarstrom CO2-neutral betrieben werden.
Im vergangenen Jahr verzeichnete das Unternehmen ein Umsatzplus von 26 Prozent auf dem deutschen Markt. Aktuell betreibt Coolblue sechs Filialen in Deutschland, bis 2029 sollen es insgesamt 38 sein. Zum Konzept gehören Testbereiche in den Geschäften, in denen Produkte in realitätsnaher Umgebung ausprobiert werden können. Die Zustellung erfolgt häufig am nächsten Tag durch eigene Fahrer, die Geräte bei Bedarf direkt anschließen.
Geplante Kooperation mit Uber
MediaMarkt und Saturn verfügen zwar mit zusammen 396 Filialen über ein deutlich größeres Netz, verlieren aber im Onlinegeschäft an Boden. Der Net-Promoter-Score, der angibt, wie wahrscheinlich Kundinnen und Kunden eine Weiterempfehlung aussprechen, liegt bei 63 Prozent. Coolblue erreicht laut jüngsten Zahlen 84 Prozent in Deutschland.
Um wettbewerbsfähiger zu werden, arbeitet MediaMarkt an neuen Lieferkonzepten und testet in einigen Städten eine Kooperation mit dem Fahrdienst Uber für besonders schnelle Auslieferungen kleiner und mittelgroßer Geräte.
Der deutsche Markt zeigt sich zunehmend heterogen: Während einige auf Beratung, schnelle Lieferung und stationäre Präsenz setzen, priorisieren andere Preisvorteile. Hinzu kommt wachsende Konkurrenz aus dem Onlinehandel abseits klassischer Elektronikketten. Online-Marktplätze wie der TikTok-Shop oder Temu bieten inzwischen Fernseher und andere Haushaltsprodukte an – häufig mit längeren Lieferzeiten, aber zu niedrigeren Preisen.
Stationärer Handel unter Zugzwang
Viele Kundinnen und Kunden nehmen dies in Kauf. Gleichzeitig gewinnt der Servicegedanke an Bedeutung: Persönliche Ansprache, Getränke, kurze Wartezeiten und barrierefreie Beratung gelten als zentrale Elemente im Wettbewerb. Wer den Markt langfristig dominieren kann oder ob bestehende Anbieter ihre Position behaupten können, hängt maßgeblich von digitaler Transformation, Preisentwicklung und Servicequalität ab.
Klar ist, der Wettbewerb beschleunigt Prozesse, verändert Erwartungen und zwingt die Branche zu strukturellem Wandel. Stationäre Händler sind unter Zugzwang – nicht nur durch internationale Akteure, sondern auch durch das veränderte Konsumverhalten.
