Strafen die Wähler in den Niederlanden die Wilders-Koalition ab?

Strafen die Wähler in den Niederlanden die Wilders-Koalition ab?

Geert Wilders

Stand: 29.10.2025 06:25 Uhr

Im Streit über die Asylpolitik verließ Rechtspopulist Wilders mit seiner Partei im Sommer die niederländische Regierung. Nun wird ein neues Parlament gewählt. Bekommen die Koalitionsparteien einen Denkzettel?

Ludger Kazmierczak

336 Tage lang haben sie es miteinander ausgehalten, dann war Schluss. Weil die Koalitionspartner seinen Zehn-Punkte-Plan für ein strengeres Asylrecht nicht mittragen wollten, ließ der Rechtspopulist Geert Wilders Anfang Juni dieses Jahres die Regierung platzen.

“Unsere Verantwortung für dieses Kabinett ist damit zu Ende”, sagte Wilders damals. “Die PVV hat den Wählern versprochen, das strengste Asylgesetz in Europa durchzusetzen. Ich konnte daher gar nicht anders, als unsere Unterstützung für dieses Kabinett zurückzuziehen.”

Wilders selbst, obwohl er mit deutlichem Vorsprung die Wahl gewonnen hatte, gehörte der Regierung nicht an. Ein Zugeständnis an die anderen drei Parteien, die sonst keine Koalition mit der PVV eingegangen wären.

Sich auf diesen Deal eingelassen zu haben, sei wahrscheinlich ein Fehler gewesen, sagt Wilders heute. “Ich selbst finde im Nachhinein, dass ich doch besser selbst Premier geworden wäre. Dann hätten wir denke ich viel mehr erreichen können.”

Bündnis von Anfang an fragil

Wirklich überraschend kam das frühe Aus der Rechts-Regierung nicht. Vor allem zwischen der radikal rechten Freiheitspartei von Wilders und dem eher gemäßigten Neuen Sozialvertrag (NSC) des früheren Christdemokraten Pieter Omtzigt stimmte die Chemie von Anfang an nicht.

Omtzigt hat sich mittlerweile aus der Politik zurückgezogen. Seine Partei ist in den Umfragen abgestürzt und wird wohl alle ihre 20 Mandate verlieren.

Auch die anderen drei ehemaligen Koalitionspartner müssen mit Verlusten rechnen. Selbst die Zustimmung für Wilders, der noch vor wenigen Wochen wie der sichere Wahlsieger aussah, sinkt.

Ein Grund dafür ist, dass viele zuletzt noch unentschlossene Wähler sich langsam festlegen. Die meisten scheinen sich dabei doch eher für Parteien der Mitte zu entscheiden.

Wer Wilders im Nacken sitzt

Mit dem Bündnis aus Grünen und Sozialdemokraten, den wieder erstarkten Christdemokraten und der linksliberalen Partei D66 sitzen Wilders gleich drei Konkurrenten dicht im Nacken. Vor allem die Demokraten 66 haben im Endspurt des Wahlkampfs deutlich zugelegt.

“Wir sollten uns nicht einreden lassen, dass Wilders sowieso wieder der Größte wird bei dieser Wahl”, sagt D66-Parteichef Rob Jetten. “Wilders an der Macht hat uns doch in letzter Zeit nur Streit und Stillstand gebracht. Lasst uns also guten Mutes Wahlkampf machen, um zu zeigen, dass es geht.”

Der 38-Jährige aus der deutsch-niederländischen Grenzregion bei Nijmwegen ist der neue Hoffnungsträger der progressiven Wähler: jung, eloquent, besonnen und als ehemaliger Klimaminister und Vize-Premier durchaus erfahren.

Nahbar und entschlossen, sich vom Erfolg der Rechtspopulisten nicht einschüchtern zu lassen: D66-Chef Jetten.

Christdemokraten mit neuer Kraft

Was Jetten für die Linken ist, ist Henri Bontenbal für die Konservativen. Der studierte Physiker und Energie-Experte hat dem bei der letzten Wahl auf fünf Sitze zusammengeschrumpften Christendemokratischen Appell (CDA) neues Leben eingehaucht. Mit dem CDA sei wieder zu rechnen, sagt der Politikwissenschaftler Maurits Meijers von der Universität Nijmegen: “Bontenbal wird als sehr sympathisch und vertrauenswürdig gesehen, auch als sehr kompetent. Von allen Spitzenkandidaten sehen ihn die meisten Niederländer als guten Ministerpräsidenten.”

Jetten und Bontenbal verstehen sich gut. Gemeinsam mit den Grünen und den Sozialdemokraten, die im kommenden Jahr zu einer neuen linken Partei verschmelzen werden, könnten sie ein Mitte-Links-Bündnis schmieden – vermutlich aber ohne Mehrheit im Kabinett.

Warum aber sollten sie es nicht als Minderheitsregierung versuchen, fragt sich der Politikwissenschaftler Meijers. Er sieht darin durchaus eine Chance. “Das ist natürlich kein Idealfall, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass so eine Regierung recht viel schaffen kann, weil sie mit bestimmten Themen, unterschiedliche Parteien für sich gewinnen kann.”

CDA-Chef Bontenbal könnte nächster Ministerpräsident der Niederlande werden. Dabei lag seine Partei nach der letzten Wahl buchstäblich am Boden.

Wie verhält sich die VVD?

Mit der konservativ-liberalen VVD als weiterem Koalitionspartner wäre sogar eine Mehrheit für Mitte-Links denkbar, doch VVD-Parteichefin Dilan Yesilgöz hat im Wahlkampf eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis aus Grünen und Sozialdemokraten abgelehnt.

Und auch mit Wilders will die Nachfolgerin von Mark Rutte an der Parteispitze nach der Erfahrung der letzten Monate nicht mehr koalieren. Wilders habe gezeigt, dass er nicht im geringsten Verantwortung übernehmen wolle, so Yesilgöz. Eine Wählerstimme für ihn sei daher eigentlich eine verlorene Stimme.

Für viele Anhänger der VVD, die mit Mark Rutte fast 14 Jahre lang den Ministerpräsidenten gestellt hatte, kommt diese Einsicht reichlich spät. Sie nehmen Yesilgöz übel, überhaupt mit Wilders regiert zu haben. Laut Umfragen wird auch ihre Partei deutlich Stimmen einbüßen.

Der Wahlkampf war wegen der politischen Sommerpause kurz, aber intensiv, der Ton in den Fernsehdebatten rau und heftig. Inhaltlich ging es vor allem um die Wohnungsnot und die Notwendigkeit, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, um die Pflege- und Gesundheitspolitik und um Wilders’ Lieblingsthema Asyl und Zuwanderung, das aber längst nicht mehr so kontrovers diskutiert wird wie früher. Mittlerweile sind selbst die linken Parteien für eine strengere Migrationspolitik.

Vermutlich werden nach dieser Wahl wieder mehr als 15 Fraktionen ins Parlament einziehen. Schon 20 Prozent der Wählerstimmen dürften zum Wahlsieg reichen, aber eben noch lange nicht zum Regieren. Zum dritten Mal nach 2021 und 2023 stehen die Niederlande damit vor schwierigen und zähen Koalitionsverhandlungen.

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