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Es vergeht kein Jahr, in dem keine Rekordstände am Kryptomarkt verkündet werden. So auch 2025. Doch eins ist jetzt anders: Der überbordende Optimismus lässt nach. Substanz muss her.
Die Euphorie am Markt für Kryptowährungen lässt nach: Kaum ein seriöser Experte sieht für das kommende Jahr enorme Kurssteigerungen auf 300.000 oder 500.000 Dollar, wie sie in der Vergangenheit häufig vorausgesagt worden waren. Vielmehr geht es 2026 darum, inwieweit Notenbanken die Kurse von Kryptos beeinflussen, welche Regulierungen anstehen und welchen praktischen Nutzen Kryptowährungen haben, gerade in Inflationszeiten.
Rekorde soll es dennoch geben: Die Investmentbank Goldman Sachs erwartet im Jahresverlauf 2026 einen Bitcoin-Stand von bis zu 150.000 Dollar. Die Bank Standard Chartered hat ihre jüngste 300.000 Dollar-Erwartung auf die Hälfte zusammengestrichen. JP Morgan rechnet mit 170.000 Dollar.
Eine etablierte Anlageklasse
Das sind immer noch stattliche Zahlen, wenn man auf das Jahr 2025 zurückschaut. Da hatte der Bitcoin zeitweise rekordhohe 126.000 Dollar gekostet. Und dann aber erheblich an Wert eingebüßt.
Nichtsdestotrotz war es ein wichtiges Jahr für die neue Anlageklasse, sagt Kapitalmarktexperte Chris-Oliver Schickentanz von der Capitell AG: “2025 war das Jahr, indem sich der Bitcoin als eigenständige Anlageklasse etabliert hat. Das lag im Wesentlichen am Siegeszug der ETFs, also von liquiden und sehr kostengünstigen Produkten, die die Wertentwicklung von Bitcoin nachbilden.” Dadurch habe sich die Anlegerschaft deutlich verbreitert, so Schickentanz.
Notenbanken beeinflussen Kurse
Das Jahr 2025 hat dennoch gezeigt, wie schnell Gewinne zerrinnen können. Als sich herauskristallisiert hatte, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) in den USA die Zinsen nicht so stark wie erwartet senken wird, begann die Talfahrt. Wenn Zinsen niedrig sind, werden andere Anlageklassen – wie Kryptowährungen – als Alternative attraktiver.
Hier lauert für 2026 Überraschungspotential, sagt Timo Emden von Emden Research: “Ganz klar, vor allen Dingen riskante Anlageklassen wie etwa der Bitcoin können natürlich angesichts von Zinsenttäuschungen entsprechend unter die Räder kommen.” Es sei nicht in Stein gemeißelt, dass die Fed auch im kommenden Jahr eben an den berüchtigten Zinsschrauben nach unten dreht.
Dagegen könnte die Deregulierung, die US-Präsident Donald Trump versprochen hatte, ein wichtiger Positivfaktor für den Kryptomarkt werden. In den USA ist ein Gesetz dazu in Arbeit. Es soll definieren, wie Kryptowährungen klassifiziert, gehandelt, überwacht und offengelegt werden. Damit soll auch geregelt werden, wie die beiden wichtigsten Behörden für den Kryptomarkt, die Börsenaufsicht SEC und die CFTC als Regulierungsbehörde für den Derivate-Markt, künftig die Aufsicht über Kryptos aufteilen. Das hätte alles schon 2025 entschieden werden sollen. Der US-Senat wird nun aber erst im neuen Jahr über das Gesetz abstimmen.
USA: Deregulierung kommt später – aber sie kommt
Fakt ist schon jetzt: “Es wird weniger streng”, sagt Adrian Fritz von 21shares. Die geplante Regulierung in den USA schaffe Rechtssicherheit und ermögliche, dass institutionelles Kapital weiter strukturiert in den Markt fließt. Auch wenn damit eine wichtige Grundlage für den Markt geschaffen werde, sieht Fritz aber nach wie vor auch Risiken für die Kryptowelt im neuen Jahr zum Beispiel durch die Zwischenwahlen in den USA.
“Die anstehenden US-Midterm Elections könnten die Krypto-Debatte wieder politisieren und kurzfristig für Volatilität sorgen, je nach Mehrheitsverhältnis im Kongress.” Dazu kämen globale Faktoren wie hohe Zinsen oder geopolitische Spannungen. Und ganz grundsätzlich, Übertreibung bleibe ein Risiko. “Krypto ist zwar reifer geworden, aber nicht komplett frei von Spekulationsphasen”, so der Kryptoexperte.
Neue Finanzdienstleistungen entstehen
Zugleich sei spannend, welche praktischen Möglichkeiten entstehen, zum Beispiel bei Finanzdienstleistungen ohne Banken oder andere Vermittler, sogenannte Decentralized Finance. “Wir sehen zum Beispiel zum Beispiel mehr Unternehmen, die Krypto-Infrastruktur produktiv einsetzen”, sagt Adrian Fritz.
Fazit: 2026 geht es um weniger Hype und um mehr Substanz in der Kryptowelt. Verlässliche Gesetze sind ein kryptofreundlicher Faktor, während die Geld- oder Geopolitik weitere Unruhe in den Markt bringen kann.


