Seit April 2023 tobt im Sudan ein Krieg zwischen sudanesischer Armee und RSF-Miliz. Ein Ende der Gewalt scheint nicht in Sicht. Vor allem in der Region Kordofan sind die Kämpfe heftiger geworden.
Schwarzer Anzug, blütenweißes Hemd, die Fahne des Sudan um die Schultern gelegt. So nimmt Alsasnosi Adam Anfang Dezember in Stockholm den Right Livelihood Award entgegen, auch Alternativer Nobelpreis genannt. Er vertritt das regierungsunabhängige Netzwerk “Emergency Response Rooms”, in dem tausende Freiwillige humanitäre Nothilfe leisten. Das seltene Scheinwerferlicht nutzt Alsasnosi Adam für einen eindringlichen Appell:
Diese Anerkennung gibt uns etwas, was wir dringend benötigen. Sichtbarkeit und damit ein einen gewissen Schutz.
Berichte über Misshandlungen und Tötungen
Ein Schutz, den Millionen Menschen im Sudan dringend benötigen. Denn der brutale Machtkampf geht weiter – zwischen den sudanesischen Regierungstruppen von Armeechef Abdel Fattah al-Burhan und den mächtigen Paramilitärs, den sogenannten Rapid Support Forces – kurz RSF -, die von Mohammed Hamdan Daglo angeführt werden.
Rawaq und ihr Bruder überlebten den Überfall auf ihr Dorf und entkamen in das Flüchtlingscamp Tawila rund 70 Kilometer von Al-Faschir entfernt. Die Regionalhauptstadt von Darfur wurde im Oktober von RSF-Milizen nach 18 Monaten Belagerung eingenommen. In der Folge berichteten die Menschen von schweren Misshandlungen und Tötungen durch die RSF – auch auf der Flucht aus der Stadt.
Ihre Eltern seien bei einem Granatenangriff getötet worden, erzählt Rawaq. Sie selbst sei am Kopf, ihr Bruder am Bein verletzt worden. In dem Camp nahe Tawila seien sie auf die Suppenküche angewiesen. “Wenn sie Essen bringen, essen wir. Wenn nicht, sitzen wir hier einfach.”
Mehr als 30 Millionen Menschen im Sudan sind laut den Vereinten Nationen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Doch Hilfsorganisationen werden behindert und es herrscht Hunger.
Zehntausende in der Region Kordofan auf der Flucht
Vor allem in der Region Kordofan sind die Kämpfe heftiger geworden. Das Gebiet umfasst drei Bundestaaten, hat große Ölvorkommen und ist zudem strategisch wichtig. Es liegt zwischen dem von der RSF kontrollierten Darfur und dem östlichen Landesteil, den die sudanesische Regierungsarmee kontrolliert. Hunderte Menschen sind dabei laut UN bereits getötet worden, rund 40.000 auf der Flucht, darunter viele, die bereits aus Darfur geflohen waren. In Süd-Kordofan würden größere Städte belagert.
Nach Angaben der Vereinten Nationen setzen beide Seiten auch zunehmend Drohnen ein. Bei Angriffen Anfang Dezember wurde in der Stadt Kalogi in Süd-Kordofan ein Kindergarten angegriffen. Attackiert wurden laut UN auch herbeieilende Rettungskräfte und das Krankenhaus, in dem die Opfer später behandelt wurden. Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, erklärte, insgesamt seien mehr als 100 Menschen getötet worden, darunter mehr als 60 Kinder. Unter anderem die Verwaltung von Kalogi und der sudanesische Ärzteverband schrieben die Drohnenangriffe den RSF zu.
Premier: “Teufelskreis des Kriegs durchbrechen”
“Wir müssen den Teufelskreis des Kriegs durchbrechen”, appellierte Sudans Premier Kamil Idris Ende Dezember in New York, als er bei den UN eine Friedensinitiative der sudanesischen Regierung vorstellte. Diese sei nicht aus Illusionen, sondern aus Notwendigkeit entstanden, so Idris. “Es ist eine bewusste Entscheidung, Chaos durch Ordnung, Gewalt durch Recht und Verzweiflung durch Hoffnung zu ersetzen.”
Ein erster Schritt sieht einen Waffenstillstand unter internationaler Aufsicht vor. Doch Papier ist geduldig. Premier Idris gilt als ziviles Aushängeschild der sudanesischen Militärführung, doch die Gewalt gegen Zivilisten geht unterdessen weiter. Die meist arabisch-stämmigen RSF-Milizen begehen systematisch Menschenrechtsverletzungen, vorwiegend gegen afrikanisch-stämmige Sudanesen: systematische Vertreibung, willkürliche Erschießungen, sexualisierte Gewalt, Folter und Plünderungen. Dies ist vielfach durch die UN, sowie sudanesische und internationale Menschenrechtsorganisationen dokumentiert. Vorwürfe werden auch der sudanesischen Armee gemacht – etwa wegen Luftangriffen auf Zivilisten.
“Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Staat, der früher existierte, kollabiert ist”, so analysiert Alex de Waal von der US-amerikanischen World Peace Foundation die Lage im Sudan im Podcast “The Horn” der regierungsunabhängigen International Crisis Group.
Experte: “Muss Lösung auf globaler Ebene geben”
Laut Beobachtern hätten vor allem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabische Emirate, Ägypten und die USA Einfluss auf die Kriegsparteien im Sudan. Doch jeder verfolgt eigenen Interesse, bei denen es vor allem um Rohstoffe geht. Die Vereinigten Arabischen Emirate sollen die RSF unterstützen – Ägypten, Saudi-Arabien aber auch die Türkei die sudanesische Armee. Für jeden bisherigen sudanesischen Konflikt habe es eine sudanesische Lösung, gegeben, so Experte de Waal. Weltweit könnten Konflikte nicht mehr auf lokaler oder nationaler Ebene gelöst werden, auch im Sudan nicht. “Es muss eine Lösung auf globaler Ebene geben. Und das macht es außerordentlich schwierig.”
Fast 150 Freiwillige seien bei der humanitären Arbeit für Emergency Response Rooms um Leben gekommen, sagte der sudanesische Aktivist Alsanosi Adam bei der Preisverleihung in Stockholm. Was er für den Sudan hoffe, wurde er gefragt. Der Krieg müsse enden, damit die Menschen zurückkehren und ein demokratisches Land aufbauen könnte, so seine Antwort. “Ich denke, die internationale Gemeinschaft und jeder Einzelne muss sich fragen: Was kann man noch für den Sudan tun?”

