2025 ist ein schwieriges Jahr für Kanada: Der engste Verbündete droht plötzlich mit territorialer Expansion und Zöllen, das Wirtschaftswachstum schrumpfte deutlich. Mittlerweile hat sich das Land spürbar verändert.
Als US-Präsident Donald Trump im Mai diesen Jahres verkündete, dass er die Zölle für Stahlimporte aus dem Ausland auf 50 Prozent verdoppeln wolle, konnte Michael Garcia seinen Ohren kaum trauen: “Ich dachte: Ist das ein Witz? Werden es wirklich 50 Prozent sein? Denn falls ja, ist die Frage, wie lange wir mit so einem hohen Zollsatz auf unserem größten Markt überleben können.”
Garcia ist Geschäftsführer von Algoma Steel, einem der führenden kanadischen Stahlproduzenten. In kein Land der Welt hat sein Unternehmen so viel Stahl exportiert wie ins Nachbarland USA. Ursprünglich waren das 60 Prozent der gesamten Produktion.
“US-Markt für uns praktisch geschlossen”
Doch durch die Zoll-Verdoppelung hat sich das verändert. Die Exporte sind spürbar eingebrochen. Trotz staatlicher Hilfe in Höhe von insgesamt 500 Millionen Kanadischen Dollar musste das Unternehmen Ende November die Entlassung von 1.000 Mitarbeitern verkünden.
Im kanadischen Fernsehsender CBC erklärt Garcia: “Wir mussten eine neue Strategie entwickeln, wie wir weitermachen, wenn der US-Markt für uns weiterhin praktisch geschlossen bleibt. Wir konzentrieren uns jetzt ausschließlich auf die Elektrostahlproduktion. Was bedeutet, dass wir unsere Hochofen- und Kokereianlagen schließen.”
Das koste weniger und schaffe mehr Flexibilität. Das Unternehmen versuche nun, mehr Abnehmer auf dem heimischen Markt zu finden.
US-Politik wird als Angriff begriffen
Aber nicht nur Stahl ist von Trumps Handelszöllen betroffen. Auf viele Waren aus Kanada hat die US-Regierung neue Zölle in Höhe von 35 Prozent erhoben. Betroffen sind alle Güter, die nicht im USMCA genannten trilateralen Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada inbegriffen sind.
Das treibt einen Keil zwischen die Kanadier und ihre ehemals engsten Verbündeten. Viele verstehen die Strafzölle als Angriff auf ihr Land. Ihre Wirtschaft wächst im Vergleich zum Vorjahr deutlich langsamer. Während es im Jahr 2024 noch ein Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent gab, liegt der Wert inzwischen nur noch bei einem Prozent.
Auch die Drohungen Trumps, Kanada zum 51. US-Bundesstaat machen zu wollen, kamen nicht gut an. Umfragen zeigen, dass inzwischen zwei Drittel der Kanadier eine negative Einstellung zu ihrem ehemals engsten Verbündeten haben.
Verändertes Reise- und Kaufverhalten
Das zeigt sich auch im Reiseverhalten der Kanadier. Im Vergleich zum Vorjahr sind Reisen aus Kanada in die USA im September beispielsweise um etwa ein Drittel zurückgegangen.
Auch das Kaufverhalten vieler Kanadier hat sich verändert. US-Produkte werden boykottiert, in Kanada produzierte Waren bevorzugt. “Buy Canadian” – kauf kanadisch – heißt es schon seit Monaten praktisch überall. Kaufhäuser und Supermärkte kennzeichnen im eigenen Land hergestellte Produkte noch deutlicher als vorher, meist mit einem roten Ahornblatt am Preisschild.
Der neu entdeckte Patriotismus hat allerdings seine Grenzen: Eine aktuelle Erhebung der Bank of Canada zeigt, dass drei Viertel der Befragten nicht bereit waren, mehr als zehn Prozent zusätzlich für ein in Kanada hergestelltes Produkt auszugeben.
Viele kanadische Betriebe haben inzwischen auf die neue Realität reagiert, vor allem mit Diversifizierung ihrer Absatzmärkte. In vielen Branchen wurden Lieferketten umgestellt, Unternehmen suchen neue Kunden auf dem heimischen Markt oder in Europa. Etwas mehr Planungssicherheit könnte es dann geben, wenn im kommenden Jahr das auslaufende USMCA-Freihandelsabkommen neu verhandelt wird.

