Längst kann KI neben Hintergrundmusik auch ernstzunehmende Pop-Songs herstellen. Musiker sind in Aufruhr. Die GEMA versucht, Ansprüche der Künstler gegen KI-Unternehmen durchzusetzen.
“Am Ende geht es um die Musik. Wenn die Maschine schöne und bewegende Musik machen kann, ist das eben so. Das ist zwar schlecht für mich, aber um mich geht es nicht”, sagt die israelische Sängerin Noga Erez im Interview mit dem BR-Zündfunk. So gelassen blicken nicht alle Musiker auf die Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz.
Laut einer Studie der Musik-Verwertungsgesellschaft GEMA werden die Einkünfte von Musikerinnen und Musikern durch den Einsatz von KI schon 2028 um rund 30 Prozent zurückgehen. “Da müssen wir uns als Komponist und Songwriter schon überlegen, wie wir in Zukunft weiterleben können”, sagt der Musiker Ludwig Wright.
Wie er denken rund 70 Prozent der für die Studie befragten Musikerinnen und Musiker. Wright schreibt Folk- und Pop-Musik. Er lebt davon, dass diese Musik gespielt und aufgeführt wird. Aber in Zukunft könnte sein Job obsolet sein. “Letztlich ist kein Bereich in der Musik davor gefeit, von der KI substituiert zu werden.”
Die israelische Sängerin Noga Erez
Täglich 20.000 neue KI-generierte Tracks auf Deezer
Insbesondere bei Film- oder Werbemusik droht ein massiver Auftragsrückgang, sagt Ludwig Wright. Er sitzt im Vorstand des “Deutschen Komponist:innenverbandes” (DKV). Eine KI könne den Job zwar nicht unbedingt besser, aber in jedem Fall schneller und kostengünstiger übernehmen. Der Einsatz von KI macht bei den sogenannten Auftragsarbeiten außerdem nicht halt. Mittlerweile erschafft die KI auch Bands – vom Bandfoto bis hin zur Musik – und landet damit auf Spotify.
Der Song “Dust on the Wind” von The Velvet Sundown wurde millionenfach auf Spotify gestreamt und fast eine Million Mal auf Youtube angehört. Nur: Die Band gibt es gar nicht. Sie wurde von einer KI erschaffen. Beispiele wie diese gibt es mittlerweile viele. Laut Angaben des Streamingdienstes Deezer werden jeden Tag etwa 20.000 KI-generierte Tracks auf die Plattform hochgeladen. Und es dürften immer mehr werden.
Um einen Song von einer KI schreiben zu lassen, muss man sich lediglich bei einem der unterschiedlichen Anbieter wie etwa Suno anmelden. Man gibt an, worum es im Song gehen soll, kann eigene Textzeilen hochladen und legt mithilfe sogenannter Prompts fest, wie das Stück klingen soll. Je feiner die Befehle, desto genauer das Ergebnis.
GEMA: Kompensation für Verluste der Kreativen
Wer den neu generierten Song bei Spotify oder Deezer hochlädt und Leute findet, die ihn sich anhören, erhält dafür genau so viel Geld, als ob er den Song selbst geschrieben hätte. Hier liege das Problem, sagt Kai Welp, Justiziar bei der Musik-Verwertungsgesellschaft GEMA. “Die Maschinen werden trainiert auf der Basis von menschlich geschaffenen Werken.” Wenn sie daher “Output” für den Markt produzieren, würden aktuell “diejenigen, die die Inhalte geschaffen haben, daran nicht beteiligt”.
Die GEMA vertritt die Rechte von Urhebern. Derzeit läuft eine Klage gegen Suno. Demnach soll das KI-Unternehmen geschützte Aufnahmen weltbekannter Songs aus dem Repertoire der GEMA in dem Tool verarbeitet haben. Kai Welp zufolge will man deshalb zumindest “kompensieren”, was am Markt durch den Einsatz von KI-Musik verloren gehe. Das Geld solle nicht von den Kreativen “in die Taschen der großen Tech-Unternehmen wandern, sondern im Kreativmarkt verbleiben”.
Erstes Gerichtsurteil: ChatGPT verletzt Urheberrecht
Ein Verfahren gegen OpenAI hat die GEMA schon gewonnen. Das KI-Unternehmen verletze mit Training und Betrieb von ChatGPT geltendes Urheberrecht, so das Münchner Landgericht. Das Urteil sei aber nur ein erster Schritt. Am Ende gehe es darum, sich auf ein Modell zu einigen, wie eine Vergütung aussehen könnte, sagt GEMA-Justiziar Welp. Eine Umsatzbeteiligung stehe dem eigentlichen Urheber auch bei KI-generierter Musik zu.
Um ein solches Vergütungssystem durchzusetzen, fehle im Moment aber “die notwendige Transparenz“, sagt Welp. Derzeit könne man nicht feststellen, “mit welchen Werken die Systeme tatsächlich trainiert worden sind”. Bislang ließen sich KI-Unternehmen nicht in die Karten schauen. Dies sei aber notwendig, “damit man überhaupt Ansprüche auf Vergütung geltend machen kann”.
Eine weitere Frage stellt sich der Musiker Ludwig Wright: Ob die Gesellschaft wirklich ausgerechnet jene Bereiche durch KI ersetzen wolle, die eigentlich “sehr vielen Menschen Spaß machen” und “positiv zur Qualität des Lebens beitragen”? Kunst zu machen sei ganz allgemein etwas Positives. “Wir sollten Tätigkeiten ersetzen, auf die wir eigentlich keine Lust haben.”
